Verschwörungsgläubige und Nazis – Die Hammer „Freie-Friedens-Rebellen“

Seit dem Ausbruch der Coronapandemie und den einhergehenden einschränkenden Infektionsschutzmaßnahmen kommt es bundesweit zu Protesten gegen jene Beschränkungen. Bei diesen Protesten sammeln sich unter anderem Menschen, die Vorstellungen über derzeitige, heimliche Abläufe haben, für die es keine wirklichen Belege gibt. So werden vermeintliche „Theorien“ über angebliche Verschwörungen von „denen da oben“, Bill Gates, Zwangsimpfungen und anderen Absurditäten verbreitetet. Verschwörungsmythen sind kein neues Phänomen. Gerade in Krisenzeiten verbreiten sie sich schnell und bieten den Menschen eine einfache Interpretation für komplexe Sachverhalte an. Dabei präsentieren sie den Menschen angebliche Sündenböcke. Häufig wird hier auf alte antisemitische und rassistische Propagandageschichten zurückgegriffen. Ein Beispiel dafür ist der momentan in diesen Kreisen oft verbreitete und wohl prominenteste Anhänger von Verschwörungsmythen Attila Hildmann. Er unterstellte Bill Gates, er würde Wasserwerke vergiften und Kinder essen. Die verbreiteten Verschwörungsmythen sind dabei nichts Neues, sondern bedienen sich uralter Erzählungen 1. Damit versuchen die Verbreiter*innen dieser Geschichten, mit vermeintlichen Synonymen oder Personen der Öffentlichkeit den offensichtlich antisemitischen Charakter dieser Aussagen zu vertuschen. Stattdessen werden anstelle der Jud*innen einflussreiche Persönlichkeiten genannt, wie zum Beispiel Bill Gates, George Soros oder die Familie Rothschild. Sie werden als Schuldige und Sündenböcke präsentiert. Ihnen werden klassisch antisemitische Charakteristika zugeschrieben wie Geldgier, dem Satan anzuhängen oder als kleiner Kreis heimlich die Welt zu beherrschen. Gerade die zuletzt genannte Idee, dass es verschworene Eliten gäbe, die die angeblich gute Bevölkerung anlügen, lenken und ihr Schaden bringen würden, gehört zu lang bekannten, antisemitischen Denkmustern. Diese Verschwörungsmythen sind dabei ein Türöffner für andere menschenabwertende, rechte Ideologien. Sie teilen die Menschheit in eine böse, verschworene Gemeinschaft (die am Ende doch meist in Jud*innen gesehen wird) und das gute, ehrliche Volk. Deshalb verwundert es nicht, dass Nazis und andere Rechte die Nähe zu den Protestler*innen suchen.

Ähnlich sieht es in Hamm aus. In dem am 28. April gegründeten Telegram-Kanal „Freie-Friedens-Rebellen-Hamm“ ging es schon kurz nach der Gründung mit Verschwörungsmythen los und die etablierten Medien wurden als „Mainstreampresse“ oder „Lügenpresse“ verurteilt. Lieber werden sogenannte „Freie Medien“ bevorzugt. Damit ist ein Sammelsurium an verschiedensten rechten Websiten, Youtube-Kanälen und Blogs gemeint, die von dubiosen Menschen betrieben werden und sich gegenseitig aufeinander beziehen. Somit wird eine angeblich recherchierte Seriösität vermittelt. Obwohl die Behauptungen an den Haaren herbeigezogen sind oder scheinbar stimmende Kleinigkeiten emotional aufgebauscht werden, während andere Fakten entweder ignoriert oder als Lüge dargestellt werden.

Ein rechter Einfluss des Hammer Telegram-Kanals kann ebenfalls von Anfang an belegt werden. Der Gründer und Administrator des Hammer Telegram-Kanals gab sich zum Beispiel selber den Benutzernamen „italianpatriot“ 2 und phantasierte über ein von denen da oben angeblich gesteuertes „Transatlantisches-Netzwerk“ 3. Am 7. Mai trat der TelegramAccount „Zuchthaus Hamm“ 4 bei. Hierbei handelt es sich um einen Account der Hammer Nazis. Die Nazis nannten ihre Räumlichkeiten im Kentroper Weg 18 „Zuchthaus Hamm“ und bewarben mit diesem TelegramKonto in der Vergangenheit ihre Rechtsrock-Konzerte.

Es ist daher nicht überraschend, dass bei der ersten Kundgebung, die am 9. Mai 2020 um 16 Uhr auf dem Marktplatz der Pauluskirche missbräuchlich als „Meditation“ bezeichnet wurde, auch fünf Hammer Nazis aus dem Umfeld der extrem rechten Kleinstpartei „Die Rechte“ auftauchten. Darunter die drei Nazis Janne Drewer, Sascha Buber und Mario Kramer. Sie hielten sich während der nicht angemeldeten Kundgebung an dem Brunnen vor der Sparkasse auf und redeten mit den anderen Teilnehmer*innen. Eine Distanzierung oder Abweisung von den ca. 30 anderen Teilnehmer*innen gegenüber den Nazis war nicht zu beobachten.

Als zwei Tage später am 11. Mai um 19 Uhr wieder an der Pauluskirche eine Kundgebung  mit anschließendem Spaziergang durch die Innenstadt stattfinden sollte, kamen ca. 20 Personen zusammen. Unter ihnen waren mindestens fünf Personen, die der extrem rechten Naziszene angehören. Dazu zählen der in Hamm gebürtige, aber mittlerweile nach Dortmund verzogene Sascha Krolzig 5, Stefan Wendel, Martin Wegerich, Kevin Winkens und Pascal Ostholte. Alle sind seit langem in der Naziszene NordrheinWestfalens verwurzelt. Auch bei diesem Aufeinandertreffen von Kader-Nazis mit Verschwörungsgläubigen gab es keine Berührungsängste. Zu dem geplanten Spaziergang kam es jedoch nicht und eine Person erhielt eine Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz 6.

Eine fundierte Kritik an den Maßnahmen gegen das Coronavirus oder für eine bessere Bezahlung und Unterstützung von Pflegekräften, Ärzt*innen und sozial Schwächeren zu demonstrieren, ist notwendig und unterstützenswert. Jedoch vermuten die Coronaleugner*innen lieber hinter allem eine Verschwörung oder behaupten sogar, das Virus würde es gar nicht geben. Sie driften dabei in abstruse Fantasiewelten ab und bekommen ihre „Theorien“ durch ihre eigene Filterblase immer wieder bestätigt. Hauptsächlich geht es ihnen dabei nur um sich selbst, ihr eigenes Wohlbefinden und wie sie sich als vermeintliche Aufklärer*innen darstellen können. Das Wohlergehen der anderen Menschen, wie zum Beispiel das der zu Risikogruppen gehörenden, ist ihnen schlichtweg egal. Dass sie dabei als Rechte dargestellt werden, bleibt nicht aus, wenn die Teilnehmer*innen der Proteste: Nazis akzeptieren, selber rechte und antisemitische Ideologien teilen oder wie es in anderen Städten passiert ist, Journalist*innen und Gegenproteste angreifen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt. Doch wer mit Nazis auf die Straße geht, wer antisemitische Pseudo-Theorien verbreitet und Menschen real gefährdet ist weder aufklärerisch noch kritisch. Dem stellen wir uns entschieden entgegen. 

Wichtig ist, dass wir solidarisch bleiben, ob im Netz oder mit Abstand auf der Straße. Informiert euch und andere und sprecht euch gegen Verschwörungsideologien aus.